Zwischen Pandemüdigkeit und politischer Lyrik zu Corona Zeiten – Ein Abriss des Deutschunterrichts in der 10c.

Zeichnung „müdemotiviert“ von Philipp Wohlfart.„Morgens immer mütend“ – Nein, das ist nicht der einprägende erste Vers des Liedes der Gesangsgruppe Laing, sondern es handelt sich dabei um einen Neologismus aus den beiden Adjektiven müde und wütend. Trifft das unsere Gefühlslage der letzten Tage, Wochen, ja gar Monate nicht perfekt? Nicht wenige würden diese Frage mit einem müden zustimmenden Kopfnicken bejahen. Doch hat das Schuljahr 2020/21 eigentlich so hoffnungsvoll begonnen, immerhin genossen wir bayernweit betrachtet ein Privileg, erst kurz vor Weihnachten in den Wechsel- und Distanzunterricht gehen zu müssen. Aufgrund der strengen Kontaktbeschränkungen des Lockdowns wurden die Coronanächte zuhause im kleinsten Kreis verbracht. Dennoch sind wir optimistisch ins neue Jahr gestartet, mit der Aussicht, spätestens im Frühjahr sei alles wieder im Normalzustand: Willkommen in der Videokonferenz im Fach Deutsch in der Jahrgangsstufe 10. Lyrik des Sturm und Drangs steht auf dem Plan. Gedichte von Goethe und Schiller aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Jetzt treffen Neologismen wie mütend oder müdemotiviert ganz sicher nicht mehr zu, sondern die Gefühlslage der Schülerinnen und Schüler lässt sich wohl viel eher mit einem simplen müde beschreiben. Doch die Epoche des Sturm und Drangs ist vor allem für zwei Motive bekannt und die sind alles andere als mit einem müde abzustempeln: Rebellion und Genie! Um den tristen und streng getakteten Videokonferenzen zu entfliehen und sich von den Ketten der Ausgangssperre zu befreien, haben unsere rebellischen Genies im Zuge der Betrachtung mit politischer Sprache und politischer Lyrik eigene politische Gedichte verfasst. Selbstverständlich wurde hier Corona von einigen als Aufreißer gewählt, um aufzuklären, anzuklagen, zum Nachdenken oder Handeln aufzufordern. Eben das, was politische Gedichte schon seit Jahrhunderten bezwecken. Aber nichtsdestotrotz haben die Schülerinnen und Schüler nicht den Blick für andere wesentliche gesellschaftlichen Themen verloren, wie beispielsweise die Frage nach Menschlichkeit in der Flüchtlingskrise, über die paradoxerweise in unserer Medienlandschaft kaum noch berichtet wird. An dieser Stelle lade ich Sie herzlich dazu ein, sich Zeit zu nehmen und die Meisterwerke unserer Nachwuchsdichter durchzulesen.

Text: Jonas Barski

Despotie (Amanda Plakiqi)

Sie halten die Feder,
doch wir halten die Axt!
Die Dystopie ist nah für uns,
doch unser Aufschrei kann das Blatt noch wenden.
Das Brot wird uns genommen,
wie Dreck werden wir behandelt,
doch das Mitleid könnt ihr euch sparen!
Denn niemand kann den Brand des Hauses aufhalten,
wenn er die Augen geschlossen hält.

Mensch ist Mensch(Emely Tichay)

Mensch ist Mensch, das merke dir,
jeder ist willkommen hier.
Hass, Zorn und Unterdrückung
haben hier keinen Platz,
das sag ich dir in einem Satz:
„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“
Das ist in Deutschland hochkostbar.
Keiner hat das Recht, andere Menschen zu verlieren
oder gegen sie zu hetzen.
Wir wollen Frieden in unserem Land,
deswegen gib auch Menschen mit anderer Hautfarbe die Hand.
Mensch ist Mensch, das merke dir,
jeder ist anders, aber das akzeptieren wir.

Du würdest es genauso tun(Emilia Will)

Er ist doch wie du
Drum frag ich dich nu
Was ist anders an ihm
Wir sind doch ein Team

Vielleicht kommt er gebürtig nicht von hier
Doch was tut er dir
Er will hier doch nur friedlich leben
Und nicht daheim in Angst schweben

Deutschland ist groß genug
Also denk doch mal klug
Er ist vielleicht geflohen
Weil andere ihn bedrohen

Warum sollten wir ihm ein Zuhause verwehren
Kannst du nicht etwas Platz entbehren
Du würdest es genauso machen
Hoffentlich denken die anderen dann nicht solche Sachen

Corona(Lena Härder)

Am Campus liegen viele Patienten,
die zum Teil zu früh und jämmerlich enden.

Die OP-Säle sind brechend voll,
das finden wir alle nicht so toll.

Rassen und Klassen kennt das Virus nicht,
es frisst sich durch jede soziale Schicht.

Die Opposition und die Regierungspartei,
die bangen und hoffen, es ist bald alles vorbei.

Namibia und andere Länder sind ganz weit weg,
selbst dort grassiert und verbreitet sich der Dreck.

Ausgangssperre für alle ist der größte Mist,
ich sag es euch, nur dass ihr es wisst.

Jetzt müsst ihr mal was tun,
damit nicht noch mehr für immer ruhen.

Für die Wahrheit (Lisa Kaiser)

Hört mal liebe Kinder, ich erzähl euch jetzt wie‘s war,
damals mit Corona und was sonst noch so geschah.
Von einem auf den and‘ren Tag kam nämlich alles anders.
Das Leben wurde eingeschränkt, es gab auch einen Anlass.

Hygiene wurd‘ nun großgeschrieben – die Läden waren dicht.
Die meisten unterstützten das – doch manche eben nicht.
Sie nannten sich die Freiheitskämpfer – den echten Widerstand.
Verglichen sich mit Sophie Scholl, doch war‘n sie braun gebrannt.

Von Fakten wollten sie nichts wissen, Statistik war nicht relevant.
Zum Glück war deren Meinung niemals anerkannt im Land.
Was könnt ihr nun d‘raus lernen? – Denkt doch erst, bevor ihr schreit.
Denn die Wahrheit, die wird siegen, jetzt und auch für alle Zeit!

Klimawandel (Stella Zimmer)

Hohe Tiere aus aller Welt
kommen heut zusammen.
Jeder denkt, er wär‘ ein Held
und könnte Großes entflammen.

Klimaschutz steht auf dem Plan.
Ist für die Welt sehr wichtig.
Kommen mit Hubschraubern an
und machen alles wieder richtig.

Lockdown (Lisa-Marie Eckert)

Den ganzen Tag vorm PC
und draußen liegt der Schnee.

Arbeitsaufträge stehen uns bis zum Hals.
Jeden Tag wird es mehr
und die Hälfte davon machen wir falsch.
Es belastet uns sehr.

Wochenende ist das einzig Gute.
Die ganze Woche warten wir darauf.
Doch das Wochenende nimmt so schnell seinen Lauf
und plötzlich haben wir schon wieder Schule.

Sogar die Ferien werden uns genommen.
Daran hat keiner was gewonnen.

Wir brauchen auch mal eine Pause,
um zu entspannen zu Hause.

Die Coronapolitik Deutschlands (Séraphine Weyer)

Die Staatsmänner denken, sie haben es unter Kontrolle,
es bedroht die ganze Welt,
Lockdown hier und da.
Corona hat alles auf den Kopf gestellt.

Viele wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen,
den Söder nennen alle ein Genie,
für unsere Gesundheit wird Deutschland schon sorgen,
doch niemand versteht die Bedeutung von einer „Pandemie“.

Fitnessstudios, Restaurants und so weiter müssen schließen,
viele verdienen deswegen kein Geld,
wir lassen uns trotzdem nicht unterkriegen,
der deutsche Staat ist jedoch kein Held.

Das Virus mutiert bereits,
mit dem Gegenmittel lassen sich viele spritzen,
was sollen wir den ganzen Tag machen,
die meisten tun doch nur zuhause sitzen.

Beim Rausgehen müssen wir Masken tragen,
wir lassen uns niemals unterkriegen,
diese Zeit wird hoffentlich bald enden
und das Coronavirus werden wir gemeinsam besiegen.

Bad loser (Diana Fleck)

Der brennende Konflikt,
der uns allen bekannt,
die Wahl von Joe und Trump
bracht uns um den Verstand.

Es war gewiss ein heißes Renn‘,
speziell Trump konnt‘ viel Fett verbrenn‘.
So fair wie es jedoch geplant,
verlief die Wahl nun leider nicht.
Nachdem ihn einer doch ermahnt,
ist klar, dass Trump konstant besticht.

Amerika, das schöne Land,
war völlig außer Rand und Band.
Sie war‘n ihn los, den guten Mann,
was mancher noch nicht glauben kann.

Menschlichkeit (Philipp Wohlfart)

Moria brannte.
Es brannte in mir.
Es brennt immer noch in mir.

Sie fliehen aus ihrem Heimatland.
Es zieht sie an Europas Rand.
Im Fernsehen war es oft zu seh’n,
Wie Menschen dicht zusammensteh’n.

Der Platz im Lager reicht nicht aus,
die Menschen müssen schnell hieraus.
von Privatsphäre keine Spur,
doch Europa bleibt weiter stur.

Europa, was machst du bloß?
Weist sie ab – ganz lieblos.
Anstelle von Vielfältigkeit,
an deine Grenzen jetzt viel Leid.

Wo ist die Menschlichkeit geblieben?
Lieber helfen, statt abzuschieben.
Vom Abdul bis zum Heinz,
wir sind doch alle eins.

Moria brannte.
Es brannte in mir.
Es brennt immer noch in mir.

Wellen des Unrechts (Michelle Hoch)

Die Erde bebt, ein Tsunami entsteht.
Kein Wasser, das auf Landmassen trifft,
sondern eine erregte Fet‘,
die bekämpft nur Gift.

Die Gemeinschaft friedlich,
außer dem Rassisten,
obwohl der Politikerabend,
unternimmt nichts.

Die Menschen beklagen die Gewalt,
gegen sie ausgeführt wird,
mit dem unverhohlenen Sachverhalt,
dass ihre Farbe, dunkel, verdirbt.

Die Uniformen schreiten ein,
zielen auf Farbe,
nicht nur mit diesem Anschein,
dass sie es nicht mögen, wie eine Narbe.

Die Massen brennen,
rot, so farbig,
wie die Menschen,
oder was nun von ihnen übrig.

Schritte ohne Akzeptanz (Oliver Bondarchuk)

Freude bei den ersten Schritten,
Freude bei den letzten.
Jeder läuft irgendwohin – doch
Wohin?

Du läufst – ich auch.
Zur Schule – ich auch.
Für Essen – ich auch.
Für dich normal, für mich alles.

Ich bin meinem Ziel entgegengelaufen,
so weit – doch ich muss.
Drinnen, draußen ohne sich zu verlaufen.
Und ich lief über Stock und Stein,
von Land zu Land,
durch Wüste und Stadt.

Ich laufe und für euch ist das ein Problem,
ihr redet über meine Schritte und unsinnige Themen.
Wollt‘ nicht, dass ich laufe,
auch wenn ich ersaufe,
ihr gebt mir keine Alternative.
Trotzdem laufe ich,

doch angekommen – da gab es keine Freude.

Zwischen Aluhüten und Lügen (Sophia Sperl)

Die Erde bebt, ein Tsunami entsteht.
Kein Wasser, das auf Landmassen trifft,
sondern eine erregte Fet‘,
die bekämpft nur Gift.

Die Gemeinschaft friedlich,
außer dem Rassisten,
obwohl der Politikerabend,
unternimmt nichts.

Die Menschen beklagen die Gewalt,
gegen sie ausgeführt wird,
mit dem unverhohlenen Sachverhalt,
dass ihre Farbe, dunkel, verdirbt.

Die Uniformen schreiten ein,
zielen auf Farbe,
nicht nur mit diesem Anschein,
dass sie es nicht mögen, wie eine Narbe.

Die Massen brennen,
rot, so farbig,
wie die Menschen,
oder was nun von ihnen übrig.

Schritte ohne Akzeptanz (Oliver Bondarchuk)

Zwischen Aluhüten und Lügen, da findet man dich,
siehst vor lauter Querdenken die Wahrheit nicht.
Millionen kranke Menschen krepieren,
trotzdem gehst du weiter demonstrieren.


Deine „Informationen“ hast du von Trumps Twitteraccount,
um besser zu sagen, die Fakenews, die er herumposaunt.
Am besten lässt du dir Desinfektionsmittel spritzen,
damit kannst du dich laut Trump vor dem Virus schützen.

Vielleicht solltest du dir doch lieber die Fakten und Berichte der Wissenschaftler anschauen.
Die Todeszahlen werden dich aus den Socken hauen.
Hoffentlich wird dir dann endlich klar, dass neben Feiern und Essengehen
vielleicht doch die Gesundheit und der Zusammenhalt im Vordergrund stehen.

Du Mitläufer, mach die Augen auf (Leon Reutlinger)

Du denkst, du kannst was verändern.
Es herrscht Corona, doch du willst auf dein Recht beharren.
Gehst demonstrieren zwischen Verschwörungstheoretikern und Rechtsradikalen.
Du lässt dich zutexten auf Versammlungen von Blendern.
Du willst was verändern?

Du denkst, bist besonders schlau, am Querdenken.
Doch bist nur deine Vernunft am Verschenken.
Du gehst in einem bunten Haufen protestieren.
Doch hast eigentlich keine Vorstellung, für was
machst du das, aus Langeweile oder Hass
wird verbreitet und lässt die Menschlichkeit erfrieren.

Populisten gewinnen immer mehr an Einfluss.
Du unterstützt sie, da sie dieselbe Meinung und Feindbilder haben.
Du Blinder, sie lenken deine Richtung wie einen Einguss.
Du, bitte, fang an, zu hinterfragen.

Nicht alles ist wahr, was deine Facebookgruppe postet.
Du hältst deine Augen zu, hast endlich eine Gruppe, die dich nicht roasted.
Lös endlich deine Informationsblase auf
und schaue in die Wahrheit.
Du Mitläufer, mach die Augen auf.
Das gibt deinem einsamen Leben Klarheit.

Änderung (Antonia Eckert)

Es gibt Schulkinder, die noch heute spielen:
„Wer hat Angst vorm schwarzen Mann“.
Und beim Versuch, auf die andere Seite zu fliehen,
sagen sie: „Hoffentlich bin ich nicht als Nächstes dran“.

Unser Planet ist schon seit langem am Sterben,
zukünftige Kinder werden nicht leben können,
viele Lebewesen werden wahrscheinlich aussterben,
weil wir uns nur auf Kosten anderer gönnen.

In China werden Menschen gefoltert und gefangen,
doch wir tun nichts, China ist ein zu wichtiger Handelsgeselle.
Wir müssen endlich etwas dagegen tun und sie verklagen.
Menschenrechte sollten eigentlich sein bei allen an erste Stelle.

Alle können etwas verändern.
Und somit helfen wir den anderen Ländern.

Protestlösung (Nicole Mylnikov)

Die Sonne strahlt hinab auf uns,
die Strahlen leuchten durch den Morgendunst.
Die Erde froh und voller Schar,
doch dann kam ein CO2, das dies sah.
Nach einer Weile war die Erde nicht mehr gut drauf,
so löste sich auch das Eis auf der Antarktis auf.
Ebenfalls betrifft‘s die australischen Wälder,
diese fangen Feuer von selber.
Nun protestieren wir und sagen: „Macht was dagegen!“,
doch jeder stellt sich die Frage: „Wie können wir nur dieses Problem beheben?“

Home schooling (Stella Griebel)

Stundenlang vorm Bildschirm
Arbeitet unser Gehirn
Viel zu viel müssen wir machen
Das ist bald nicht mehr erträglich
Immer mehr zum Schaffen
Mehrere Stunden sitze ich täglich
Dennoch schätzen wir die Bemühungen der Lehrer
Die Situation für sie ist auch schwerer
Dennoch wir fangen an im Dunkeln
Und hören auf im Dunkeln
Aber wir wollen das Beste draus machen
Und versuchen alles zu schaffen
Wir strengen uns an
Und trotzdem werden uns die Ferien gestrichen
Die Frage ist bloß wann
Sollen wir uns mal entspann‘
Das einzige an was wir denken die Woche lang
Ist wann fängt das Wochenende endlich an.