Ninelle

Es war ein kalter, klarer Tag im Winter. Meine beste Freundin Anna und ich wollten auf dem naheliegenden See Schlittschuh fahren. Es war das perfekte Wetter, nicht zu kalt und nicht nebelig. Wir freuten uns schon riesig. Doch was uns heute erwarten würde, ahnten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Wir schnallten unsere Schlittschuhe mit einem dicken, langen Seil an einen Schlitten. Und dann ging es mit warmen Klamotten ausgestattet los. Als wir am See ankamen, blieben wir auf einmal verdutzt stehen. Ein großes, rotes Schild versperrte uns den Weg. Darauf prangten die Buchstaben „BETRETEN VERBOTEN!“ „Seit wann ist der See gesperrt? Wir waren hier doch schon oft Schlittschuh fahren“, fragte Anna verwundert. Mit einem Schulterzucken erwiderte ich: „Keine Ahnung! Schade, ich habe mich so gefreut!“ „Ja, ich mich auch!“, antwortete meine Freundin und überlegte angestrengt, „Und wenn wir trotzdem auf das Eis gehen? Es sieht stabil aus.“ Ich schüttelte energisch den Kopf: „Auf keinen Fall! Das ist viel zu gefährlich!“ „Ach, komm schon! Wie oft waren wir schon hier und es ist nichts passiert?“, bettelte Anna mit flehendem Blick. Eigentlich hatte sie Recht. Ich war hin und her gerissen, einerseits war es viel zu riskant, aber andererseits hatte ich solche Lust auf Schlittschuh fahren. Schließlich gab ich nach. Lachend stellten wir den Schlitten an das Ufer des Sees und zogen unsere Schlittschuhe an. Dann ging es endlich ab aufs Eis. Jauchzend jagten wir uns über den spiegelglatten, blauen See, drehten elegante Pirouetten und machten jubelnd Wettrennen. Plötzlich ertönte ein lautes „Kracks“ unter meinen Füßen. „Anna, hast du das gehört?“, rief ich Anna zu. „Was meinst du?“, antwortete sie lässig und zog weiterhin unbeeindruckt ihre Kreise. Da knackste es abermals. Diesmal hatte es auch Anna gehört. Mit pochendem Herzen wagten wir uns Schritt für Schritt zum Ufer. Fast hatten wir es geschafft, nur noch zwei Schritte. In diesem Moment passierte es! Das Eis unter Annas Füßen brach. Gleichzeitig kreischten wir auf, als meine beste Freundin in das eiskalte Wasser platschte. „Anna!“, brüllte ich mit vor Angst verzerrtem Gesicht. Anna paddelte mit den Armen und versuchte sich aus dem Wasser zu ziehen. Vergebens! Ich versuchte vorsichtig auf das Loch zuzugehen, doch unter meinen Füßen knackte es bedrohlich. Ich kam nicht nahe genug an sie heran. „Was soll ich jetzt bloß tun?“, schoss es mir durch den Kopf. Mein Herz klopfte immer schneller. Ich überlegte verzweifelt, doch ich hatte nicht mehr viel Zeit. „Ich kann meine Beine nicht mehr spüren!“, presste Anna hervor. Da hatte ich die rettende Idee. Das Seil! So schnell ich konnte schlitterte ich zum nahen Ufer, packte das Seil und war wenige Sekunden später wieder bei Anna. „Halt dich fest!“, schrie ich und warf ihr das Seil zu. Sie klammerte sich daran und mit aller Kraft zog und zog ich, doch das Gegengewicht zerrte mich immer weiter Richtung Loch. Ich versuchte es erneut, aber meine Kraft ließ bedenklich nach. Da bemerkte ich, dass Anna langsam unterging. Ich konnte nur noch ihre Stirn sehen. Nochmals zerrte ich am Seil und flehte in Gedanken, dass Anna nicht losließ. Auf einmal verschwand sie ganz im Wasser. Nein! Ich würde sie nicht aufgeben. Mit letzter Kraft zog ich am Seil. Schweißperlen rannen mir die Stirn hinunter, meine Arme wurden schwächer, doch ich gab nicht auf, ich zerrte und zerrte. Mit letzter Kraft schaffte ich es, Anna aus dem Wasser zu ziehen.

Völlig erschöpft, aber unglaublich erleichtert kamen wir am rettenden Ufer an und fielen uns in die Arme. Tränen liefen uns die Wangen hinunter. Anna zitterte noch, aber zum Glück war nichts Schlimmeres passiert. Wir lachten los und krallten uns überglücklich aneinander fest.

Ninelle Herbert

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